Aktiv im Rollstuhl – Interview mit Frau Schäfer Teil II
Aktiv im Rollstuhl: Im ersten Teil haben wir über Frau Schäfers dramatischen Schicksalsschlag und ihren Weg in den Rollstuhl berichtet. Nun wollen wir ihr aktives Leben mit ihren motivierenden Hobbys beleuchten und erzählen, wie es zu ihrer beeindruckenden Bogensportkarriere gekommen ist.
Jeden Morgen kommt der Pflegedienst zu ihr nach Hause, um ihr aus dem Bett zu helfen. Sie wohnt in einer Wohnung, die komplett rollstuhlgerecht und barrierefrei ist. Hinter dem Haus ist ein riesiger Garten. Ihr steht eine behindertengerechte Küche zur Verfügung, in der sie selber kochen und backen kann. Frau Schäfer kann sich in der Wohnung komplett stressfrei bewegen und selbstständig sein. Ihr Auto wurde aufgrund der fehlenden Körpermotorik speziell auf ihr Handicap angepasst und lässt sich von ihr ganz einfach fahren, was ihr vor allem mehr Mobilität und Freiheit verschafft.
Zweimal in der Woche geht sie zur Physiotherapie und einmal die Woche zur Ergotherapie. Zu ihren Hobbys gehören seit der Frührehabilitation Rollstuhlsportarten wie Basketball oder seit einiger Zeit Bogenschießen und Handbike fahren. Aber drehen wir die Zeit zurück und schauen, was Frau Schäfer vor dem Vorfall für Tätigkeiten und welchen Beruf ausgeübt hat.
Ihre erste Ausbildung machte Frau Schäfer zur Gas-Wasser-Installateurin, weil sie später den Betrieb ihres Vaters übernehmen wollte. Nach erfolgreicher Absolvierung wurde sie allerdings durch ihre immer schlimmer werdenden Krankheiten gebremst und berufsunfähig. Sie versuchte es zwar noch mit einem Energie- und Anlagentechnik-Studium, stieg allerdings 1994 vollkommen aus dem Beruf aus. Danach beschloss sie ihrer Leidenschaft des Singens nachzugehen. Frau Schäfer sang schon seit dem zweiten Lebensjahr und war im Bochumer Kinderchor. In der darauffolgenden Zeit wurde sie Berufssängerin. Durch Ihre Stimmlage kamen nur die großen Häuser infrage und somit tourte sie durch ganz Deutschland und im Ausland herum. Letztendlich wurde sie in Hagen als Opernsängerin angenommen, wo sie 2 Jahre lang tätig war. Bis es dann mit ihrer Krankheit, dem Weaver Syndrom, so kritisch und klar wurde, dass das restliche Leben im Rollstuhl stattfinden wird.
In ihrer heutigen Freizeit verbringt sie dennoch so viel Zeit mit dem Singen wie möglich. Sie gibt Unterricht und versucht es in Freizeitchors. Freiberuflich singt sie bei Geburtstagen, Hochzeiten & Co. oder tritt in einem Inklusionstheater auf.
Aktiv im Rollstuhl – Bogenschießen
Zurück zu ihrem gegenwärtig hauptsächlichen Hobby, dem Bogenschießen. Eine Freundin vom Rollstuhlbasketball hatte sie eines Tages mit zum Bogenschießen genommen. Frau Schäfer sollte zum Zuschauen beim Wettkampf mitkommen. Die Trainerin der Bekannten animierte Frau Schäfer jedoch zum Mitmachen: „Hier wird entweder mitgeschossen oder du kannst gehen“. Frau Schäfer war zuerst etwas zurückhaltend, aber für alles gibt es ein erstes Mal. Bogen rausgesucht, Scheibe aufgestellt und Zack! Die ersten Pfeile flogen. Als wäre ein Naturtalent vom Himmel gefallen, versenkte Frau Schäfer die Pfeile in die richtigen Felder. Die Trainerin war extrem verblüfft, lobte Frau Schäfer und sagte: „Du musst unbedingt mit dem Bogensport anfangen“. Gesagt, getan. Frau Schäfer suchte sich einen geeigneten und barrierefreien Bogenverein in ihrer Nähe.
Der ausgewählte Verein hat den ganzen Platz für sie auf dem Kopf gestellt, wofür sie bis heute sehr dankbar ist. Sie bekam sogar eine eigene gepflasterte Schießlinie. Der neue Verein war von ihr begeistert und lud sie direkt zu den Vereinsmeisterschaften ein, welche sie auf Anhieb gewann. Danach ging es zu den Kreismeisterschaften. Hier holte sie die Silbermedaille und die Qualifikation zur Bezirksmeisterschaft.
Der Verein hat extra eine Lizenz/Mitgliedschaft für sie erworben, damit sie an den Wettkämpfen für Menschen mit Behinderung teilnehmen kann. Hier holte sie ebenfalls den Sieg bei der Landesmeisterschaft und die Qualifikation zur Deutschen Meisterschaft. Sie ist sich sicher, dass sie am Tag der Deutschen Meisterschaft auf jeden Fall die Goldmedaille hätte gewinnen können, allerdings lag ihr Vater genau zu dieser Zeit im Sterben. Trotz allem hatte sie die Silbermedaille mit nach Hause gebracht. Zuerst wollte sie gar nicht antreten, doch sie hatten es so vereinbart, dass wenn ihr Vater gesundheitlich durchhält, sie ihm eine Medaille mitbringt. Am Abend legte sie ihrem Vater die Medaille auf die Brust und der Vater sagte stolz: „Bleibe bitte bei diesem Sport.“ Und das tut sie bis heute noch. Im folgendem Jahr 2017 holte sie in allen Wettbewerben der Schwerbehinderten die Goldmedaille.
Bei den vielen Hobbys und Tätigkeiten ist der einzige Nachteil, dass sie meist erst zu spät merkt, wenn sie sich überfordert hat und geht über ihre Kräfte hinaus. Sie weiß nicht, wie lang sie noch kann und deswegen nutzt sie wirklich jede Situation aus und genießt das Leben in vollen Zügen.
Wir sind wirklich beeindruckt vom aktiven Leben Frau Schäfers nach so einem Schicksalsschlag mit vielen Hürden. Wir wünschen Ihr in der Zukunft alles Gute.