Es sind doch auch nur Socken
Wir haben uns anlässlich des 14. Deutschen Venentages mit dem Thema „Kompressionstherapie“ auseinandergesetzt und eine Kundin besucht, die seit Dezember 2015 mit dem Hilfsmittel versorgt wird, welches Venen- und Lympherkrankte nur allzu gut kennen – Kompressionsstrümpfe.
Wir haben auf unserem Blog bereits zwei Artikel zu dem Thema Venenleiden veröffentlicht. Einmal haben wir das Krankheitsbild und die Folgen erklärt und das andere Mal sind wir auf Behandlungsmethoden eingegangen. Heute liefern wir ein Interview mit einer Betroffenen zum Leben mit Strümpfen und erzählen, wodurch die Versorgung mit Kompressionsstrümpfen bei Frau S. notwendig wurde.
„Ich bin 77 Jahre alt und mir geht es zurzeit schlecht, weil ich Gelenkrheuma und Osteoporose habe. 70 Jahre lang fast durchgehend gesund, nur hier und da mal eine Grippetablette“
Frau S. blieb bis zu ihrem siebzigsten Lebensjahr von Krankheiten weitgehend verschont. Sie wusste, dass im Alter das ein oder andere Leiden hinzukommen würde, hätte aber nie mit so etwas Schmerzhaftem gerechnet.
Rheuma und Osteoporose sind die beiden Erkrankungen, die seit 7 ½ Jahren ihre ewigen Begleiter sind. Im Dezember letzten Jahres kamen dicke Beine und geschwollene Füße hinzu. Schnell wurden ihr eine Versorgung mit Kompressionsstrümpfen und eine Kompressionstherapie sowie Wassertabletten verschrieben.
Das Problem der anschwellenden Füße liegt in ihrer Veranlagung, sagt sie. Auch im Sommer wenn es warm ist, habe sie bereits vor der Erkrankung schnell angeschwollene Füße bekommen. Plötzlich wurde es zu einem Leiden und nahm schmerzhafte Ausmaße an.
„Ich hatte Klumpfüße und kam in keinen Schuh mehr rein.“
Halbjährlich geht sie zur Kontrolle zu ihrer Rheumatologin. Die Knochen schmerzen, alles tut weh. Aber dagegen lässt sich nicht so einfach was machen. Sie wird von Anfang an mit Kortison und Schmerztabletten behandelt, die übliche Vorgehensweise, wie sie selbst sagt.
Doch die geschwollenen Beine und Füße können behandelt werden und darüber ist Frau S. sehr froh. Mit den maßangefertigten Flachstrickstrümpfen sind das Druckgefühl und auch der Schmerz zurückgegangen. Sie trägt sie täglich von morgens bis abends. Anfangs bereitete ihr das Anziehen der unelastischen, dicken Strümpfe etwas Schwierigkeiten, aber nachdem sie den „Kniff“ raus hatte, geht es mittlerweile sehr gut und Frau S. braucht morgens etwa 1 Minute, um die Strümpfe anzuziehen. Hilfsmittel braucht sie dafür nicht. Es sei etwas mühsam aber man gewöhne sich dran, verrät sie uns.
Neben den Kompressionsstrümpfen unterstützt Frau S. ein Rollator in ihrer Mobilität. Sie hat auch Unterarmgehstützen, diese nutzt sie aber nur für kleine Strecken. Die anderen Wege erledigt sie selbstständig mit dem Rollator.
„Das Gehen ist sicherer, man kann sogar Kleinigkeiten einkaufen und sich zwischendurch auch einmal hinsetzen und verschnaufen“
Diese Vorteile zählt sie uns während des Gespräches auf.
Weitere Erleichterung könnte die AIK (apparative intermittierende Kompressionsbehandlung) Kompressionstherapie bringen. Bei der Behandlung zieht man sich Kompressionsmanschetten, wie „Hosenbeine“ über. Die Manschetten blasen sich von unten nach oben auf und aus überlappenden Kammern wird Druck auf die Beine ausgeübt. Während der Therapie kann man entspannt auf der Couch oder in einem Sessel sitzen. Einen Probelauf mit dem „Lymphomaten“ hat sie bereits gemacht. Sie schwärmt förmlich von den 20 Minuten Probehandlung, die ihr ermöglicht wurden.
„Oh, sowas schönes. Also wenn mir das bewilligt werden würde, von der Krankenkasse, also ich glaube ich würde den ganzen Tag in den Beinen da drin hängen. Wunderbar!“
Auf die Therapie wurde sie durch eine Bekannte, eine TV-Verkaufssendung und ihren zuständigen Mitarbeiter von Tingelhoff aufmerksam gemacht. Lymphgerät, die in Verkaufssendungen angeboten werden verfügen nur über 3-6 Kammersysteme. Sie sind nicht so effektiv wie die 12 Kammersysteme, die sie mit einer Verordnung ihres Arztes in einem Sanitätshaus erhalten würde. Sie bieten so keine adäquate Lösung und es sollte auf die verordneten Geräte nach Rücksprache mit einem Experten (Arzt oder Lymphtherapeut) zurückgegriffen werden.
Das Handling, Anziehen der Manschetten und die Bedienung des Gerätes, ist sehr einfach. Die 20 Minuten Probe haben ihr für die nächsten Stunden ein gutes Gefühl gegeben. Die Beine fühlten sich leichter und dünner an, sie konnte viel besser laufen und hatte das Gefühl, das Wasser in den Beinen wäre zurückgegangen. Insgesamt ein angenehmes und gutes Gefühl, doch für eine anhaltende Besserung ist eine dauerhafte Kompressionstherapie durch den Lymphomaten notwendig.
Diese Lymphgeräte sind auch als Arm- oder Thorax-Manschetten erhältlich, sodass die Arme und der Oberkörper ebenso behandelt werden können.
Der Lymphomat, AIK, ist ein Hilfsmittel und nur ergänzend zu manuellen Behandlungen einzusetzen. Wer bereits manuelle Lymphdrainagen erhält, sollte seinen Arzt auf dieses Hilfsmittel ansprechen. Über die Versorgung entscheidet die zuständige Krankenkasse, die den Antrag auf Notwendigkeit prüfen und bewilligen muss.
Zurück beim Thema Strümpfe fragten wir, wie sie ihre Strümpfe in den Alltag integriert und ob sie Probleme mit der Handhabung hätte.
„Morgens an, abends aus. Was soll ich denn groß zu Strümpfen erzählen“
Sie erzählt uns und lacht dabei, wie normal diese Strümpfe für sie sind. Es gab keine Schwierigkeiten diese in den Alltag zu integrieren. Für sie ist die Versorgung absolut kein Tabuthema, sie sieht die Strümpfe als eine Hilfe und Entlastung an. Die Strümpfe machen dünne Fesseln und verhindern das Anschwellen der Füße. Zusätzlich erhält sie 2x wöchentlich 45 Minuten lang Lymphdrainagen, ohne die sie nicht mehr zu Recht kommen würde. Das merkt man ebenso daran, dass sie sich ihren Therapeuten, der sich zurzeit im Urlaub befindet, herbei wünscht. Die fehlende Entstauung bemerke sie sofort. Der Lymphtherapeut bewirkt bei der Lymphdrainage eine aktive Entstauung der Beine. Diese Wirkung wird durch das Tragen der Kompressionsstrümpfe verstärkt. Die Kompression der Strümpfe sorgt dafür, dass die Wirkung der Lymphdrainage anhält. Würden nur die Lymphdrainagen eingesetzt werden, würden die Beine einige Stunden nach der Behandlung erneut anschwellen.
Einzig die geringe Farbauswahl einiger Strumpfmodelle erfährt Frau S. als eine Einschränkung.
„Ich trage vorrangig Hosen, was ja schon mal ganz gut ist. Ich glaub mit einem Rock und den hellen Strümpfen würde ich mich draußen nicht sehen lassen.“
Und sie hat leichte Bedenken, bezüglich der warmen Temperaturen im Sommer und ob die Strümpfe dann nicht lästig werden. Doch gerade im Sommer ist das Tragen der Strümpfe besonders wichtig. Der Körper produziert bei warmen Temperaturen vermehrt Lymphe (Lymphflüssigkeit), fällt nun die Kompressionswirkung der Strümpfe weg, wird die betroffene Körperpartie stark anschwellen und zu verstärkten Beschwerden führen. Unser Tipp:
Die Strümpfe mit Wasser oder speziellen Sprays für zwischendurch einsprühen und Kühlung durch Verdunstung erhalten.
Peinlich findet sie die Strümpfe gar nicht.
„Ach was, nein, das ist ja meine Sache. Ist mir doch egal, ob meine Nachbarn die Strümpfe mögen oder nicht mögen. Das ist ja für meine Gesundheit und die trage ich eben. Es sind doch auch nur Socken“
Sie kann sich aber vorstellen, dass vor allem junge Menschen Hemmungen haben offen mit den Thema umzugehen, auf Grund des klischeehaften Denkens: Stützstrümpfe = altmodisch.
Doch mittlerweile haben die Hersteller eine modische Entwicklung durchgemacht. Neben den klassischen Modellen (schwarz oder beige) gibt es viele modische Farben und je nach Modell sogar eine schicke Schmucknaht und Schmuckbänder.
Insgesamt ist sie mit der Versorgung durch die Kompressionstherapie, Kompressionsstrümpfe und Lymphdrainagen sehr zufrieden. Sie ist trotz der Einschränkungen viel unterwegs. Man merke einfach, dass man älter wird.
Wir bedanken uns bei Frau S. für die Zeit und Offenheit mit uns über ihre Geschichte zu sprechen und wünschen ihr alles Gute, Gesundheit, Glück und weiterhin die Lebensfreude, die sie ausstrahlt, zu behalten.