Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. An die 70.000 Neuerkrankungen werden jährlich in Deutschland verzeichnet. Gerade einmal jede 100. Erkrankung betrifft einen Mann. Die meisten Frauen sind bei der Diagnose zwischen 45 und 65 Jahren alt und stehen voll im Leben.
So auch Frau S., die wir zu einem Gespräch über Brustkrebs in unsere Zentrale einluden. Erst einmal bedanken wir uns bei Frau S., dass sie unserer Einladung gefolgt ist und so offen und freundlich mit uns über diesen schweren Lebensabschnitt gesprochen hat.
Steckbrief
Alter: 73 Jahre
Familienstand: seit 52 Jahren verheiratet,
3 Kinder, 6 Enkelkinder
Diagnose: mit 59 Jahren –
Brustkrebs, beidseitig
Die meisten Brustkrebs-Diagnosen sind auf Zufallsbefunde zurückzuführen. Meistens entdecken Frauen eine Veränderung bei einer „Selbstuntersuchung der Brust“ und sprechen daraufhin mit ihrem Frauenarzt.
Zufall war es auch bei Frau S., allerdings nicht beim Abtasten, sondern durch eine kleine Verletzung nach dem Tragen einer Tasche mit Brustlage beim Fahrradfahren. Bei einem routinemäßigen Vorsorgetermin wurde ihr Arzt auf die Verletzung der Brust aufmerksam und leitete weitere Untersuchungen ein, da Frau S. als Risikopatientin eingestuft wurde, auf Grund der Brustkrebserkrankungen zwei ihrer Geschwister.
Zuerst wurde nach der Untersuchung des Brustsekrets und einer Mammographie Entwarnung gegeben, es handele sich lediglich um Milchkanal-Verkalkungen. Doch diese Diagnose wurde schnell wieder verworfen und beidseitiger Brustkrebs diagnostiziert.
„Mein Mann hat mich dann abgeholt und musste mich dann im Prinzip 48h lang trösten, wie das halt so ist, ja hat er gemacht und hat er auch sehr gut gemacht. Das war ein schweres Wochenende.“
Zuerst war nur der Unglaube da, es traf schon zwei ihrer Schwestern und nun noch einen selbst. Der erste Gedanke war erst einmal nach Hause zu fahren. Ihr Mann, der einen medizinischen Hintergrund als Arzt hat, stand ihr von da an stets zur Seite und stärkte ihr den Rücken.
„(…) ihm ist es halt immer bewusst und dementsprechend kann er mit mir umgehen.“
Der medizinische Hintergrund ihres Mannes bot mit Sicherheit einen gewissen Vorteil. Er konnte einen Teil der Ungewissheit und Angst nehmen, da er genau wusste was durch so eine Erkrankung noch auf einen zu kommt und er half auch viel nachzuvollziehen.
Operationen und eine Chemotherapie folgten, eine nervenraubende und anstrengende Zeit, sowohl für den Geist als auch für den Körper.
Nach dem dritten Chemo-Termin war Frau S. bereit aufzugeben und nicht mehr an den Folgeterminen teilzunehmen. Das Warten auf die Anwendung im Krankenhaus dauerte Stunden, es wurde ein Port gesetzt, da die Venen zu schwach waren. Dann wurde zuerst ein Bluttest durchgeführt und die Leukozyten Anzahl gemessen, ob der Körper bereit für eine Chemotherapie ist, erst nach dem O.K. des Labors wird das Medikament in der hauseigenen Apotheke angefordert, dann muss der Port noch angezapft werden, was nur von einem Arzt durchgeführt werden darf und als Patient sitzt man stundenlang nur da. „Die Chemotherapie war die Hölle“, Weihnachten und die Geburtstage fielen aus und dem Körper ging es schlecht. Doch Frau S. fand den Mut weiterzumachen und absolvierte auch noch die letzten drei Termine der Chemotherapie.
Nach der Chemotherapie folgte eine Kur in Sankt Peter-Ording, um den Körper wieder zu stärken.
Sie versuchte an ihr vorheriges Leben wieder anzuknüpfen, welches sich aber durch Folgekrankheiten schwieriger gestalten sollte, als gedacht. Sie trägt nun einen Herzschrittmacher, hat Arthrose, die Nägel brechen und es folgte schon ein Krankenhausaufenthalt durch einen Herzstillstand. Ob das nun alles auf die Krebserkrankung zurückzuführen ist, ist unklar. Es kann sein, dass es so auch ohne Krebs gekommen wäre oder dass der Krebs diese Folgekrankheiten hervorgerufen und verstärkt hat.
Zudem folgte eine Brustamputation. Die Narbe bietet ein hohes Rückfallpotenzial und bedarf stetiger Beobachtung.
Ein wichtiger Antrieb gegen die Krankheit zu kämpfen, in dieser Zeit, war ihr Mann. Sie wäre sich schäbig vorgekommen ihn auf so eine blöde Art und Weise alleine zu lassen und setzte Hoffnung in den Blick in die gemeinsame Zukunft. Das gemeinsame Alt-Werden war ihr Anker.
„Wir haben im Wohnzimmer einen hell-beigen Langflor-Teppich liegen und mein Mann kommt mit einem Glas Tomatensaft rein und verschüttet es ausversehen auf dem Teppich. Früher wäre ich an die Decke gegangen und mein Mann hätte mich erstmal beruhigen müssen (…) und nun? Schaut mein Mann mich an und ich reagiere gelassen und meine nun müsste man noch mehr Tomatensaft holen, um den ganzen Teppich einzufärben und lache.“
Durch die Krankheit haben sich die Prioritäten des Lebens und Auffassungen verändert. Die Krankheit hat die Beziehung zu ihrem Mann intensiviert und Frau S. ist ruhiger geworden. Ob das Unkraut einen Tag mehr oder weniger wächst berühre sie nicht mehr. Man ärgert sich nicht mehr über Kleinigkeiten, lebt bewusster und intensiver mit seinem Mitmenschen zusammen.
Sie geht bis heute offen und ehrlich mit ihrer Erkrankung um, geht ins Schwimmbad, trug Perücke und redet über Brustkrebs. Nach der Erkrankung arbeitete sie wieder bei ihrem Mann in der Praxis, brauch nun weniger Schlaf und genießt die gemeinsame Zeit, die sich ihr uns ihrem Mann noch bietet.
„Also man darf andere dann auch nicht als so selbstverständlich ansehen und nicht immer diese Behutsamkeit erwarten. Nicht alles sollte so aus der Sicht der Krankheit beurteilt werden.“
Als Tipp für andere Betroffene rät Frau S. die Krankheit nicht das Leben bestimmen zu lassen. Man sollte diese nicht in den Vordergrund stellen und in eine Melancholie verfallen, sondern auch Verständnis für die Mitmenschen aufbringen, die den momentanen Krankheitsstand nicht nachvollziehen können und nicht wissen, wie man richtig mit einem „Kranken“ umgeht.
Wir wünschen Frau S. und ihrer Familie weiterhin alles Gute, Gesundheit, Glück und sind froh, dass wir die Chance bekommen haben mit einer so starken, offenen und netten Frau über so ein schwieriges Thema zu reden.
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