ALS Patientin Frau Hirth

ALS Patientin – Interview mit Fr. Hirth

ALS Patientin – Interview mit Fr. Hirth

Vor 10 Jahren erkrankte Frau Hirth an ALS, diagnostiziert wurde es erst zwei Jahre nach der Erkrankung, im Jahr 2006.

ALS lässt sich nicht so einfach diagnostizieren. Verschiedene Untersuchungen werden durchgeführt, wenn eine Verdachtsdiagnose besteht, um diese zu bestätigen. Leider gibt es keine Heilungsmöglichkeit für Amyotrophe Lateralsklerose, lediglich Therapieansätze und den Wirkstoff Riluzol, der das Fortschreiten der Krankheit herauszögern soll. Da die Krankheit bei jedem Einzelnen einen individuellen Verlauf aufweist, ist es ebenfalls schwierig, Betroffenen eine mögliche Entwicklung zu nennen.

Der Kampf gegen eine unerbittliche Krankheit: Frau Hirth und die Suche nach Behandlungsmöglichkeiten

ALS überraschte Frau Hirth. Sie stand noch mit beiden Beinen im Leben, war berufstätig, hat eine große Familie und war mit dem Campingwagen unterwegs, besuchte verschiedene Orte und lernte nette Leute kennen. Ein geselliger Mensch, der freudig jeden Tag kommen sieht.

Und dann kommen drei Buchstaben, die das weitere Leben bestimmen sollen.
ALS – Amyotrophe Lateralsklerose.
Diese Krankheit sorgt dafür, dass man seinen Körper nicht kontrollieren kann. Der Geist bleibt aber fit.

Bei Frau Hirth hat die Krankheit innerhalb von  2 Jahren gezeigt, welche Kraft hinter ihr steckt. Nach zwei Jahren musste sie bereits künstlich ernährt werden und bekam einen Katheter gelegt. Ein schrecklich schneller Verlauf der Krankheit. Nicht lange danach folgte die künstliche Beatmung, die Frau Hirth am Leben hält.

Sie nahm an einer Studie in Bonn teil. Dort versuchte man mehr Erkenntnisse über die Krankheit und ihre Herkunft zu erhalten, um Ansatzpunkte zur Behandlung zu entwickeln, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen können.

Bereits seit 8 Jahren kämpft sie gegen das Fortschreiten der Krankheit an und wird dabei tatkräftig von ihren Liebsten der Familie und einem Pflegeservice unterstützt und betreut.

Wir waren da und haben mit Frau Hirth gesprochen. 

Wir möchten ihren Lebens- und auch Leidensweg teilen, anderen Betroffenen
Hilfestellung bieten und Informationen vermitteln.

Leider ist eine verbale Kommunikation nicht mehr möglich, aber dank ihrer netten Pflegerin, die uns an dem Tag als Sprachrohr von Frau Hirth diente, konnte auch diese Problematik überwunden werden. Seit 5 Jahren wird Frau Hirth von ihrer jetzigen Pflegerin betreut. Diese war schon mit dem Vorgänger-Pflegedienst für Frau Hirth verantwortlich und ist mit dem derzeitigen Pflegedienst dort geblieben.

Zu diesem Zeitpunkt, 2009, konnte Frau Hirth sich noch mittels Kopfbewegungen gut der Umwelt mitteilen, heute ist es Frau Hirth nur noch möglich über die Augen zu kommunizieren.

Im Vorfeld haben wir uns Fragen überlegt, die wir Frau Hirth gerne stellen wollen, zum generellen Verlauf ihrer Krankheit, der einzelnen Symptome bis hin zu Behandlungsmethoden.

Frau Hirth
Frau Hirth

DER VERLAUF:

Als die Krankheit ihr Leben übernahm, war Frau Hirth 52 Jahre jung und arbeitete als Reinigungskraft. Es war ein Schock.

Zuerst wurde der rechte Fuß lahm. Man dachte sich 2004 noch nicht viel dabei und sie ging zum Orthopäden. Der verordnete eine Schiene und Training auf dem Ergometer. Danach folgte eine Handschwäche auf derselben Seite, die sich dann aber rasch auf die andere Seite ausbreitete. Zusätzlich kam eine Mundwinkelschwäche dazu, die das Reden und Schlucken erschwerte. Nach einigen Jahren war der Bewegungsapparat so weit eingeschränkt, dass Frau Hirth nicht mehr in der Lage war sich selbst zu versorgen.

Am Anfang nahm sie an Studien zu der Krankheit teil, drei stationäre Aufenthalte in Bonn. Bei der ersten stationären Aufnahme wurde ALS diagnostiziert. Vorerst gab es keine Behandlung, 5 Monate später war Frau Hirth wieder stationär in Bonn zur Kontrolle, dort wurde ihr dann das Medikament Rilutek verordnet. Dieses Medikament soll lediglich den Krankheitsverlauf verzögern.

Nebenwirkungen sind bei dem Medikament nicht ausgeschlossen und die Ärzte sind relativ vorsichtig mit der Verordnung des Medikaments. Aber Frau Hirth habe bisher keine großen Probleme mit der Einnahme des Medikamentes.

EIN NORMALER TAG IM LEBEN VON FRAU HIRTH:

Ihr Leben folgt einem sehr strukturierten Plan. Frau Hirth entscheidet über die Ausgiebigkeit ihres Schlafes, entweder möchte sie geweckt werden oder einfach lange ausschlafen, je nachdem wie es ihr Zustand zulässt und wie erholt sie nach der Nacht ist. Danach wird eine komplette Körperpflege durchgeführt, verbunden mit der Lungenpflege, die seit dem Tracheostoma notwendig geworden ist. Dabei hört Frau Hirth gerne Radio. Anschließend kann Sie noch Nahrung neben der Sonden-kost in Form von Pudding zu sich nehmen, um einfach mal einen anderen Geschmack zu bekommen.

Der Nachmittag wird meistens entspannt angegangen, Frau Hirth schaut Fernsehen oder wird massiert. Dreimal in der Woche bekommt sie Besuch von ihren Therapeuten. Physiotherapie und Ergotherapie bekommt sie seit Beginn der Krankheit.

Frau Hirth ist zudem großer Fan von spannenden Krimis und schaut diese regelmäßig abends. Dabei isst sie ab und zu ein Stück Schokolade, welches sie sich auf der Zunge zergehen lässt.

So gegen zwölf Uhr herrscht Nachtruhe und es wird bei einem Hörbuch eingeschlafen, bis der neue Tag anbricht.

Ein Tag am Wochenende ähnelt dem unter der Woche grob. Nur,  wenn die Kinder und Geschwister sich zum Besuch ankündigen,  verändert sich der Ablauf. Die Familie unterstützt ihre Mama, Schwester und mittlerweile auch Oma. Gegenüber von ihrem Bett hängen lauter Fotos ihrer Lieben, so dass sie diese zu jederzeit im Blick hat.

Wenn Frau Hirth einen guten Tag hat, fährt sie auch gerne mit ihrem Mann oder ihrem Pflegepersonal ins nahegelegene Einkaufscenter shoppen. Sie schaut sich gerne um, welche neue Kleidung es gibt und kauft sich gerne neue Outfits.

Einmal im Jahr hat Frau Hirth die Möglichkeit etwas Besonderes zu erleben. Sie fährt in den Urlaub, Ziel ist ein Ferienpark in Holland, in dem sie 1 Woche verweilen. Ihr heimisches Pflegeteam begleitet sie und sorgt auch dort für eine Rund-um-Versorgung.
Im Urlaub ist dann der strukturierte Alltag passé.

Eine Vielzahl von Hilfsmitteln

Nach Aussage ihrer Pflegerin kommt „Kartonweise Zeug“ zu Frau Hirth, um sie in allen Belangen Bestmöglich zu unterstützen. Vom Pflegebett über einen angepassten, extra kippbaren Rollstuhl, Schiebehilfen, Kommunikationshilfen und Waschschüsseln bis hin zu Beatmungsgeräten, PEG (perkutane endoskopische Gastronomie: Magensonde, die direkten Zugang zum Magen ermöglicht) und Sonden-Kost und allem was man zur Pflege benötigt.

Betreut wird Frau Hirth von ihrem Hausarzt, einem HNO-Arzt und einem Neurologen. Spezielle Klinikaufenthalte sind nicht mehr erforderlich. Halbjährlich wird ein Brief mit ihrem Gesundheitszustand an ihren Hausarzt übermittelt. Hausbesuche werden bei Bedarf durchgeführt.

Allerdings wurde Kontakt zu Uniklinik Tübingen aufgenommen, wo sich eine Arbeitsgruppe rund um Prof. Dr.hc.Mult. Niels Birbaumer damit beschäftigt, Lösungen für die Kommunikation von schwerst gelähmten oder sogenannten Locked-In-Patienten mit ihrem Umfeld zu entwickeln.

Das ganze soll auf Basis der Hirnströme funktionieren. Die Patienten lernen bestimmte Ströme zu kontrollieren und der Computer übermittelt, welcher Feedback, in Form eines visuellen oder akustischen Signals, an den Patienten zurückgibt. Wenn der Patient in der Lage ist die Ströme zu kontrollieren und der Computer die Signale klassifiziert hat, ist eine Kommunikation wieder möglich. Die Kommunikation ist zwar langwieriger, aber Hauptsache es findet Kommunikation statt und die Patienten sind wieder in der Lage sich aktiv zu beteiligen.

Dieses Jahr feierte Frau Hirth ihren 60. Geburtstag. Wir wünschen ihr und ihrer Familie alles erdenklich Gute für die Zukunft.  Vor allem, dass sie einen Platz in der erhofften Studie bekommt und so die Kommunikation mit ihrem Umfeld erleichtert wird.

Wir sagen DANKE, dass wir die Möglichkeit bekommen haben einen Einblick in das Leben von Frau Hirth, einer amyotrophen Lateralsklerose erkrankten Frau, zu erhalten und ihre Geschichte teilen dürfen!

weiterführende Links:

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