Interview mit Frau Tillmann Teil 2
Lymph Selbsthilfegruppe. Im ersten Teil des Interviews haben wir klar erkannt, dass mit dem lymphatischen Krankheitsbild ein langer und beschwerlicher Leidensweg verbunden ist. Dem gegenüber stehen viele starke, selbstbewusste und tatkräftige Betroffene wie Frau Tillmann und ihre Selbsthilfegruppe, die „Lymphies aus dem Pott“, die sich durch diese Krankheit nicht unterkriegen lassen, gemeinsam gegen sie standhalten und das Leben trotzdem so gut es geht genießen.
Aber das war natürlich noch nicht alles; das Interview geht weiter: Auf zum zweiten Teil!
Frau Schröder (Lymphteam, Sanitätshaus Tingelhoff): Sie haben angesprochen, dass unter anderem während ihrer gemeinsamen Treffen in der Gruppe auch über die Versorgungen und die Ärzte, die man hat, gesprochen wird. Wie ist denn Ihre persönliche Erfahrung mit den Ärzten? Fühlen Sie sich gut aufgehoben oder sehen Sie da Verbesserungsbedarf?
Frau Tillmann: Die Ärzte hier in der Umgebung sind im Bezug zu dieser Krankheit leider ehrlich gesagt katastrophal. Ich fahre sogar dafür extra bis nach Düsseldorf zum Arzt. Die Ärzte hier in Dortmund interessiert aus meiner persönlichen Erfahrung heraus nur das Übergewicht. Damit ist uns nicht geholfen. Den meisten fehlen diesbezüglich leider auch einfach die nötigen Fachkenntnisse. Im Studium wird das Thema meines Wissen nach nur grob angeschnitten, da es nicht lukrativ genug ist. Es gibt also wirklich leider nur sehr wenige Ärzte in Deutschland, die uns bezüglich dieser Krankheit Tag und Nacht zur Seite stehen und die wir um professionellen Rat fragen können. Hier besteht auf jeden Fall noch Nachholbedarf, was die Kenntnisse und Fähigkeiten angeht.
S: Sie haben zum anderen auch die Versorgungen angesprochen, was genau meinen Sie damit?
T: Im Vorfeld die Kompressionsversorgung für die Beine oder auch die Arme sowie die Verwendung eines Lymphomaten, was als maschinelles Gerät zu verstehen ist, welches zusätzlich zur manuellen Lymphdrainage zur Unterstützung des Lymphabflusses verwendet wird und auch auf Rezept zu bekommen ist.
S: Haben Sie eventuell einen Tipp, was es bei der Kompressionsversorgung zu beachten gilt?
T: Es muss auf jeden Fall eine individuelle und flachgestrickte Maßanfertigung sein. Wir aus unserer Gruppe schwören auf die Kombination aus Kniestrümpfen und Leggins. Für die Arme hat sich aus der Erfahrung heraus der Bolero bewährt. Die eingeschränkte Kleiderwahl hierzu ist eine reine Katastrophe. Es ist extrem schwer, passende Kleidung zu finden. Der Körper ist ja durch die Wasser- und Fettanlagerungen unterschiedlich gebaut, da gibt es keine „Stangenware“ sozusagen. Vor allem in Sachen Kleidung, die preislich erschwinglich ist, da der Verschleiß besonders bei den Hosen auch sehr hoch ist, da die feste und aufgeschwollene Haut sehr daran scheuert.
S: Neben einer vollständigen Kompressionsversorgung sind sicherlich auch andere Faktoren von Bedeutung wie zum Beispiel Sport. Wie sieht es in diesem Bereich aus?
T: Sport ist definitiv auch wichtig. Hierbei ist Schwimmen sehr empfehlenswert, da das Wasser zusätzlich komprimiert und beim Aquafitness unter anderem die Gelenke schont. Ansonsten auch weitere Aktivitäten, die die Venenpumpe anregen, wie Spazierengehen oder Joggen.
S: Welche Rolle spielt denn die Physiotherapie in diesem ganzen Krankheitsbild?
T: Beim Lymphödem eine sehr große und beim Lipödem scheiden sich die Geister. Da gibt es viele verschiedene Aussagen seitens der Ärzte. Ich beispielsweise habe eine Kombination aus Lymph- und Lipödem. Sobald ich keine Lymphdrainage erhalte, merke ich recht schnell, dass meine Beine und Arme immer mehr aufquellen und sich festigen. Dazu kommen die extremen Schmerzen.
S: Was würden Sie Betroffenen raten, die erstmals mit dieser Diagnose konfrontiert sind? Was sollten diese am besten tun?
T: Da rate ich ganz deutlich direkt zu einer Selbsthilfegruppe wie wir sie haben, in der man direkt gut aufgehoben ist und wo einem geholfen wird. Man kann sich auch zuerst in verschiedenen Foren oder Facebook-Gruppen schlaumachen, welche ersten Schritte man nun bestmöglich gehen sollte und was genau zu beachten ist: Wo finde ich ein gutes Sanitätshaus wie das Sanitätshaus Tingelhoff z. B, welche Ärzte kommen infrage, was kann ich zur Linderung der Symptome unternehmen usw., damit man sich als „Neuling“ in diesem Krankheitsbild schnell orientieren und zurechtfinden kann. Auf unserer Website haben wir hierzu auch verschiedenste Hinweise und Tipps sowie einen gesamten Leitfaden erstellt und verlinkt, damit sich Betroffene nicht alleine fühlen, denn dieses Thema sollte man nicht alleine angehen und stemmen.
S: Ja, das kann man sehr gut nachvollziehen. Frau Tillmann, Sie und Ihre Gruppe sind ja schon seit längerem Mitglied bei uns im Lymphnetzwerk Dortmund. Was war der Grund, dass die Gruppe dem Netzwerk beigetreten ist?
T: Wir finden es im Generellen eine sehr wichtige Aktion, dass Sie als Sanitätshaus sich mit Physiotherapeuten sowie Experten aus dem Bereich Reha-Sport zusammentun und wir als Betroffene in einer sehr breiten Organisation Mitspracherecht und Aufmerksamkeit finden. So haben wir die Möglichkeit, auf ein größeres Netzwerk zurückzugreifen und Erfahrungen auszutauschen oder mal um Rat und Hilfe zu bitten.
S: Das klingt prima. Im Lymphnetzwerk hat es auch bereits einige Veranstaltungen gegeben. Könnten Sie vielleicht wiedergeben, welche Themenschwerpunkte bei solch Veranstaltungen behandelt werden?
T: Interessante Themen sind eigentlich immer dabei. Es gab mal eine Veranstaltung zum Thema Lipödem, bei dem zwei Ärzte aus dem Zentrum für Gefäßmedizin über Diagnostik und Therapie referiert haben. Auch bekannte Mediziner wie Professor Dr. Stücker hat über die Probleme bei Ödemen berichtet. Bei der anschließenden Fragerunde konnte man dann auch Informationen bekommen.
S: Das Lymphnetzwerk ist also nicht nur für die Partner, die im Lymphnetzwerk vertreten sind, interessant, sondern auch für Betroffenen und Interessierte. Hoffentlich können wir in naher Zukunft wieder Veranstaltungen mit renommierten Gastbeiträgen und inhaltlich spannenden Vorträgen ausrichten.
Es ist nämlich sehr wichtig, über diese Krankheit zu sprechen und das vor allem öffentlich, denn es handelt sich dabei um eine Volkskrankheit, der viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Daran arbeitet das Netzwerk mit allen Partnern.
Über diese Kontaktmöglichkeiten können Sie die Selbsthilfegruppe kontaktieren und verfolgen:
– Facebook